
Der Romanschauplatz hier in der Ungargasse ist ein Ort mit viel Geschichte und Detail. Etwa der Brunnen im Hof oder die gusseisernen Stiegengeländer im Haus. Es strahlt als Ganzes eine Ruhe aus.



Die Bedeutung von Orten hat für mich mit den Erinnerungen zu tun, die ich damit verbinde. Das ist etwa die Kindheit und wichtige Lebensereignisse oder auch Wohnorte.

Orte haben für mich viel mit menschlichen Begegnungen, Freundschaften und Ereignissen zu tun. So können Orte in mir eine Heimigkeit, ein positives Gefühl, aufkommen lassen oder aber auch Negatives.

Orte beeinflussen also schon meinen Gemütszustand, weil in ihnen immer eine bestimmte Energie schwingt.


Die Natur bedeutet mir sehr viel. Der Wald, die Berge oder das Meer sind wunderschöne Orte, um Gedanken schweifen zu lassen, sich zu erden.




Orte sind wichtig.




Orte haben auch in meiner Musik, ich komponiere, eine Bedeutung. Ich habe etwa in Dresden, wo ich studierte, abends einen Zug verpasst. Ich schrieb dann im Bahnhof darüber ein Stück – „Dresden“. Da sind die Erinnerungen an die Zeit in der Stadt und die Gefühle im Moment drin.




In Beziehungswirklichkeiten hat sich seit Erscheinen des Romans Malina vor fünfzig Jahren verändert, dass Fragen von Beziehungsansprüchen und auch Aspekte von Geschlecht und Identität offener verhandelt werden. Natürlich sind wir da, was bestimmte geographische Räume betrifft, noch nicht überall gleich auf.



In Beziehungen ist das offene Wort wichtig, das vieles ausräumen und heilen kann. Oder eben nicht aber die Bedürfnisse und Positionen sind dann klar.



Liebe ist eine große Inspiration der Musik.



Ich bin in einem Musikerhaushalt groß geworden. Meine Eltern sind beide Berufsmusiker. Meine Mama ist Klavierlehrerin. Mein Papa ist Gesangslehrer und war als Solosänger tätig. Auch meine Großeltern waren Musiker. Das Haus war immer schon voller Musik und Instrumente und ich kam damit früh in Kontakt. Und irgendwann sagte ich dann aus heiterem Himmel – „ich möchte Geige lernen“ (lacht). Das war dann ein sehr schöner persönlicher wie familiärer Weg. Meine Oma hat mit mir geübt. Meine Mama hat mich am Klavier zu Konzerten und zu Wettbewerben begleitet. Wir waren da ein sehr, sehr schönes Duo (lacht).



An der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber in Dresden begann ich mit achtzehn Jahren ein klassisches Geigenstudium. Ich lebte da in einer Wohngemeinschaft mit Jazz Musikern, die mich auf bestimmte Weise wieder zurück zum Ursprung, in meinen Augen der Freude und Offenheit gegenüber der Musik, schauen lassen hat. Es war ihr Umgang mit Musik, der mich sehr begeistert hat. Das war leider in der klassischen Ausbildung auf der Universität nicht so.


Ich mag Klassik aber es zog mich dann in die Richtung Jazz. Da war für mich einfach viel mehr Freiheit, Bereicherung und Feuer und ich sagte mir, man kann auch Geige im Jazz spielen, also mache ich das jetzt (lacht).



Ich bin heute musikalisch stark im Jazz zuhause. Ich spiele zwar noch gerne Klassik aber das sind Momente Zuhause. Ansonsten steht der Jazz im Mittelpunkt und ich mag das sehr.


Jazz ist Freiheit.






Natürlich gibt es auch in der Jazzmusik Regeln und Raster. Diese sind aber mehr wie übergeordnete Rahmenbedingungen, die ich mehr als Hilfe zum wieder Erlernen der eigenen Freiheit empfinde. Nach dem Motto „You gotta know the rules before you can break the rules“.







Alles in allem ist man doch im Jazz mehr die Herrin der eigenen Musik, die in einem klingt, die man ausdrücken möchte.


Jazz ist Individualität.



Jazz ist eine soziale Musik, die vom Austausch, den Impulsen, den Energien, die dabei zusammenfinden, lebt. Es entsteht dann etwas Gemeinsames mit den Musikern, mit denen man spielt.



Ich lebe seit sieben Jahren in Wien und schätze die Internationalität wie auch die Heimigkeit in dieser Stadt. Man trifft hier immer Leute auf der Straße, die man kennt. Ich mag auch den Wiener Grant (lacht).


Die innere, wie auch äußere Mariahilfer Straße, Schloss Schönbrunn, den Auer-Welsbach Park, das Neubauviertel, der Donaukanal – ich schätze etwa diese Stadträume sehr. Sehr gerne mag ich auch den Prater. Ich spaziere da von meinem Proberaum im Gasometer (Simmering) rüber. Und man kann im Prater auch Bärlauch sammeln. Der Lainzer Tiergarten ist auch super.



Ich fühle mich jetzt in Wien sehr wohl, es hat aber eine Weile gedauert, bis ich mich eingelebt habe, da die Mentalität im Vergleich zu Dresden und meiner Heimat in Thüringen doch anders ist.

Alles in allem tut mir Wien aber sehr gut, weil die Stadt für mich letztendlich eine Ruhe und Erdung hat und ich dem Lebensgefühl hier viel abgewinnen kann. Ich bin also völlig hier angekommen.

In der Coronazeit war es sehr schwierig. Man ist jung, neue Projekte entstehen und dann diese Zeit, die wohl eine der schwierigsten war und immer noch ist für junge MusikerInnen, die spielen wollen, in die Welt rauskommen wollen, sich vernetzen wollen, was ja ganz wichtig ist. Begegnungen, Treffen mit anderen Musiker*innen all das war im Lockdown dann unmittelbar nicht mehr möglich und man sitzt dann im Kämmerchen.





Mein erstes eigenes Bandprojekt, das Constant-Quartet, entstand nach Abschluss meiner Bachelor Prüfung im Februar 2020. Wir waren sehr motiviert und dann kam im März der Lockdown und wir alle waren deprimiert. Es hat da dann auch die Energie gefehlt. Wir probten, wenn es möglich war, aber kamen nicht zum Spielen. Die allgemeine Situation wirkte da einfach und es war mühsam und schwer.



Im Sommer ´20 hatten wir ab und an mal ein Konzert, aber gegen Herbst war dann ja wieder alles zu. Die Bandbesetzung formierte sich dann etwas um und in dieser Besetzung hatten wir unseren ersten Auftritt (stream) mit Ende des 3. Lockdowns im Radiokulturhaus im Mai 2021. Und da ging uns dann wieder der Knoten auf und ich dachte umso mehr, Konzerte sind so extrem wichtig für Musikprojekte allgemein aber gerade auch für junge Projekte, dass da was weitergeht (lacht).

Im Moment spiele ich mehr in unterschiedlichen Projekten, unterschiedlichen Bandbesetzungen, auch in unterschiedlichen Bereichen, etwa im Theater, was mich sehr freut. Wir spielen da als MusikerInnen und SchauspielerInnen/TänzerInnen in Strukturen, die improvisatorischen Raum und Offenheit innerhalb der musikalischen Interpretation des schauspielerischen Geschehens geben.






Dass es gerade so viele spannende Dinge zu tun gibt, gibt mir so viel Lebensfreude und ich hoffe, der Sommer würde ewig weiter gehen.



Ich komme leider derzeit wenig zum Lesen. An einem Buch bin ich aber immer wieder dran – „Effortless mastery“ von Kenny Werner, einem Jazzmusiker. Im Buch geht es um mentale, philosophische Zugänge zum Musikerinsein und dem Üben an sich. Früher las ich auch viel Fantasy und Bio-Lexika (lacht).


Ich spüre als Frau und Instrumentalistin schon noch einen Unterschied in der Musikwelt, spezieller im Jazz. Und besonders mit der Geige habe ich manchmal immer noch das Gefühl, nicht richtig akzeptiert zu sein, bevor ich mich nicht bewiesen habe. Aber ich versuche, dieser Wahrnehmung keine Aufmerksamkeit mehr zu schenken, weil dann vieles auch Einbildung sein kann und man sich musikalisch dadurch hemmt.



Die Geige ist im Jazz ja eher selten anzutreffen und wenn, dann immer verstärkt in bestimmten musikalischen Stilrichtungen, wie Folk, Gypsy…es wird oft als Gefiedel bezeichnet. Und klar, an dieses geschichtlich gewachsene Klangbild hat sich das Ohr natürlich gewöhnt. Daher gibt es auf der Geige im Jazz auch einen „Stempel“. Ich mag diesen Stempel aber nicht so gerne.Und es gibt zu wenige GeigerInnen, die so richtig anders gespielt haben, die man dann auch kannte. Die Vorstellung fehlt da oft, weil es das zu selten gibt.


Ich persönlich spiele sehr gerne Modern Jazz, Fusion, soulige, funkige, rockige Musik, Bossa Nova, frei, mit Interaktion zwischen Poesie, Tanz und Rede. Ich spiele gerne mit Effekten und habe vor Kurzem das „instrumentale“ Singen im Jazz für mich entdeckt. Und das bringt gerade super viel Elan mit sich, weil ich eigentlich immer schon aus Freude seit ich klein bin gesungen habe.

Mir ist als Musikerin und in meiner Musik wichtig, dass es ehrlich und authentisch und keine Kopie von irgendwas ist, etwas Nachgemachtes oder was gerade hip ist.

Dass man das, was man selbst ist, ohne sich zu verbiegen oder sich dafür zu schämen spielt oder in der Komposition schreibt.

Seinen eigenen Sound zu finden als Musikerin ist für mich eines der wichtigsten Themen und das ist auch eine Suche nach sich selbst.




Der eigene Sound ist vielleicht ein ganz anderer, als der, den man anstrebte oder der gerade angesagt ist. Und der Weg dorthin ist ein offener, herausfordernder Prozess mit vielen Emotionen. Da sind Ernüchterung, Traurigkeit wie auch positive Impulse, Erkenntnisse, Einsichten und Offenbarungen aus Feedback dabei.




Es ist wichtig, in der Musik eine Energie zu den Menschen zu bekommen und nichts ist da stärker als Authentizität. Egal ob man beim Spielen Fehler macht.



Herausfinden, was in einem liegt und dies zu sich selbst und zu den Menschen zu bringen. Was auch immer das ist, ich weiß es auch nicht genau. Es zeigt sich Stück und für Stück und ich bin glücklich, so wie es gerade ist.

Für seine Musik und sich selbst zu stehen und sich nicht zu verstecken – das ist es letztendlich.



50 Jahre Malina _ Roman _ Ingeborg Bachmann _ im Gespräch und szenischem Fotoporträt:
Cozy Friedl_Jazzgeigerin, Sängerin, Komponistin_Wien
Station bei Ingeborg Bachmann_Romanschauplatz_Malina.
Interview und alle Fotos_Walter Pobaschnig _Wien_8_2021.