Lieber Robert, wie sieht jetzt Dein Tagesablauf aus?
Nachdem ich mich im Frühjahr als „Hauslehrer“ für meinen siebenjährigen Sohn versuchen durfte, mittags als Koch und nachmittags als Freizeitbetreuer mein Bestes gab, während mein Schreibort zunehmend verwaiste, bin ich jetzt wieder dort angekommen, wo ich damals aufgehört habe, zu sein: In meinem vierten Roman, in dessen Welt ich täglich viele Stunden verbringe im Wissen, dass auch er bald wieder Geschichte einer langen Reise ist, in absehbarer Zeit zwischen zwei Buchdeckeln abgedruckt, um andere mitreisen zu lassen in eine andere Welt.

Was ist jetzt für uns alle besonders wichtig?
Uns (weiterhin) ständig daran zu erinnern, dass unser Gehirn nicht nur ein Organ sein darf, mit dem man denkt, dass man denkt, sondern es durchaus auch zum Denken benutzt werden darf: Zum kritischen Hinterfragen, zur Selbstreflexion, vor allem aber auch zum Mut, uns im Namen der Toleranz das Recht vorzubehalten, die Intoleranz nicht zu tolerieren, um mit Popper zu sprechen.
Vor einem Aufbruch und Neubeginn werden wir jetzt alle gesellschaftlich und persönlich stehen. Was wird dabei wesentlich sein und welche Rolle kommt dabei der Literatur, der Kunst an sich zu?
Der Aufbruch wird hoffentlich nicht für viele der Anfang vom Ende sein, denn gerade jetzt stehen viele, die ohnehin schon am seidenen Faden hingen, weiter am Abgrund, auch wenn hierzulande zumindest gewisse Auffangnetze gespannt worden sind. Was trotz all dem vielerorts deutlich sichtbar ist: Dass Kunst keine große Lobby hat, nur das Offensichtliche zutage tritt, geschätzt wird, was glänzt, strahlt, sich gut herzeigen und verkaufen lässt. Das, was dahintersteht, die Arbeit unter Tage sozusagen, bleibt (wieder) viel zu oft im Verborgenen.
Was liest Du derzeit?
Nachdem ich kläglich daran gescheitert bin, die eben erschienene kroatische Übersetzung meines Romans „Zeit der Häutung“ zu lesen, wende ich mich aktuell wieder Büchern zu, die ich besser verstehe: „Cox oder der Lauf der Zeit“ etwa von Christoph Ransmayr, „Tito – Der ewige Partisan“ von Marie-Janine Calic oder „Bewimpertes und Rostblättriges“ von Peter Gruber.
Welches Zitat, welchen Textimpuls möchtest Du uns mitgeben?
„Hör gut hin, Kleiner / es gibt Weißblech, sagen sie, / es gibt die Welt, / prüfe, ob sie nicht lügen.“ (Ilse Aichinger)
Vielen Dank für das Interview lieber Robert, viel Freude und Erfolg für Deine großartigen Literaturprojekte und persönlich in diesen Tagen alles Gute!
5 Fragen an KünstlerInnen:
Robert Kleindienst, Schriftsteller
https://www.robertkleindienst.at/
Foto_Michael Namberger
13.11.2020_Interview_Walter Pobaschnig. Das Interview wurde online geführt.